| Die Leute glauben einfach nicht, dass ich Deutscher bin. Was soll's: 
              ich bin ein geselliger Typ und sage - Party machen muss doch sein 
             Viktor ist 15 ½ und wohnt in Nagold-Steinberg ( Stadt mit ca. 25000 
              Einwohnern am Rande des Schwarzwalds), in einer Neubausiedlung am 
              Rande der Stadt - von den Einheimischen Russendorf genannt - und 
              ist 1997 aus Kasachstan mit seiner Familie ( Eltern und einer jüngeren 
              Schwester) nach Deutschland ausgewandert. Wegen ihrer Wolgadeutschen 
              Herkunft hatte Viktors Familie in den russischen Pässen den Vermerk 
              "Staatsangehörigkeit Deutsch". Mit 10 Jahren kam Viktor in Deutschland 
              an und sprach kaum ein deutsches Wort. Er hat einen waschechten 
              Schwaben zum Freund, sonst hängt er nur mit russlanddeutschen Kumpels 
              rum.  Mit Türken und Polen kann er nichts anfangen und er befürchtet 
              , dass der ganze Balkan hier bleiben will um billig zu arbeiten 
              und die deutsche Wirtschaft zu zerstören. Was er nicht versteht: 
              dass Glatzen ihm Stress machen, weil sie nicht glauben, dass er 
              Deutscher ist. Auf keinen Fall will Viktor wie ein Penner leben 
              - seine Zukunftsvorstellung: Genug Geld, eine nette Wohnung, ein 
              schnelles Auto, Frau und Kinder.  " Dass ich aus Russland komme, merkt man doch. Richtig sprechen 
              tue ich sowieso nicht - so mit Artikeln. Obwohl ich schon viel besser 
              geworden bin, muss ich noch viel lernen. Die Leute tun mich angucken 
              und denken: Alles klar. Dann heißt es: Scheiß Ausländer. Das ist 
              immer so. Das Hauptproblem ist, das die meisten Leute nichts über 
              die Geschichte wissen. Die sagen, in Russland gibt es keine Deutschen. 
              In Deutschland waren wir erst mal in so´nem Wohnheim in Tübingen. 
              Wir waren alle zusammen in einem Zimmer mit so zweilagigen Betten. 
              Scheiße war das in so einem kleinem Zimmer.  Mit den Jugendlichen war das aber geil. Das waren schon 20, 30 
              Leute . Das war wir in einer großen Familie - alle unter einem Dach. 
              Irgend jemand hat immer Geburtstag gefeiert. Wir haben auch ein 
              Zimmer gekriegt zum abhängen. Da haben wir Disco gemacht. Das können 
              wir jetzt im Nagolder Jugendhaus auch machen. Das ist jetzt fest 
              in unsere Hand. Andere Jugendliche gehen da nicht hin. Mein Vater hat immer gesagt: Du sollst lernen. Wenn du die Sprache 
              kannst, dann kannst du deine Weg klarmachen. Sonst landest du auf 
              der Baustelle. Ich will mal gucken, wie das abläuft, wenn ich mal 
              fertig bin, mit der Schule. Eigentlich wollte ich ursprünglich Chirurg 
              werden, weil meine Mutter in Russland als Krankenschwester gearbeitet 
              hat. Da hab ich immer zugeguckt. Aber das kann ich mir abschminken. 
              Nach dem OIB (Orientierung im Beruf).  In der achten Klasse der Hauptschule wurde mir vom Berufsberater 
              des Arbeitsamts Bauzeichner vorgeschlagen. Da sind scheinbar noch 
              Stellen offen. Also das ist jetzt mein Hauptziel: Eine Ausbildung 
              machen.  |