UDO KLEBES für DER NEUE MERKER / Wien
DIE WALKÜRE - ästhetisch aufgebrochen
20.12.97(Premiere): Eines ist jetzt schon klar: Hausherr
Michael Leinert beabsichtigt keinen umfassenden Stil für den
gesamten RING, sondern eine Entwicklung dessen im Wandel der
Zeiten.
Walhall ist noch im Kaiserreich entstanden; die als Bühnenrahmen
herrschaftliche Fassade aus dem Vorabend hält noch so lange
stand, bis die inzestuöse Wiedervereinigung des Wälsungenpaares
die alte Weltordnung aus den Fugen geraten läßt und Wotans
Macht durch Frickas moralgebietenden Einspruch der Boden entzogen
wird. Hundings als germanisches Heiligtum in Ausstellungsvitrinen
aufbewahrte germanische Insignien müssen weichen, Siegmund
und Sieglinde befreien sich aus diesem Museum, indem sie Glas-und
Seilabsicherung der Esche zur Schwertgewinnung durchbrechen.
Solch ausdruckstarke Bilder durchziehen die gesamte Inszenierung,
bei deren kräftigen Chiffren Bühnenbildner Walter Perdacher
Hand in Hand mit dem Regisseur geht. Allesamt Szenen, die
zwar die Originalanweisungen phantasievoll durchbrechen und
dennoch immer einen treffenden gedanklichen Überbau darstellen
und sich zudem in ihrer visuellen Schönheit nachhaltig einprägen.
Wie diese Brüche zu eindrücklichen Bildern umgewandelt werden,
zeigte der grandiose Feuerzauber, wenn der Panzer mit der
schlafenden Brünnhilde in zunehmendem Feuerschein und Rauch
in seinen Konturen verschwimmt und wie ein riesiger Fels aus
seiner Umgebung herausragt.
Daß mit all diesen zeitlichen Verschiebungen und Aufbrechungen
die Geschichte trotzdem stimmt, liegt ganz besonders an der
emotionellen Dichte des personellen Gebarens. Die "Befreiung"
des Geschwisterpaares und die "Menschwerdung" Brünnhildes
sind in diesem Zusammenhang als stärkste Erlebbarmachung herausgegriffen.
Langer Jubel für eine äußerst bereichernde, hohe Maßstäbe
an die weiteren Teile stellende RING- Fortsetzung!
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