Bertha Cleven kam als Lehrerin 1907 nach Dortmund.
Schon bald engagierte sie sich für die Förderung von Mädchen der unteren
Schichten und gehörte zu den Mitgründerinnen der außerkirchlichen
weiblichen Jugendpflege. 1908 richtete sie in Alleinregie eine Auskunftsstelle
für Frauenberufe ein, die Berufsberatung anbot und Lohnstellen vermittelte.
Mit der Handwerkskammer verhandelte sie lange Jahre über die Anerkennung
der Weißnäherinnen als Handwerkerinnen - in einer Zeit, als es Ausbildungsberufe
für Mädchen noch gar nicht gab, Frauen aber unausgebildet in Handwerken
tätig waren. 1910 gründet Bertha Cleven mit anderen Dortmunderinnen,
die vorwiegende den gehobenen bürgerlichen Schichten angehören, die
Ortsgruppe des Westfälischen Vereins für Frauenstimmrecht. Cleven
wird Zweite Beisitzerin und ist damit Vorstandsmitglied. Für ihre
erste öffentliche Veranstaltung am 9. März 1910 laden sie Minna Cauer
aus Berlin ein, die dem radikalen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung
angehört. Die Veranstaltung im Hotel Lindenhof ist zwar öffentlich,
wird aber polizeilich überwacht wie alle derartigen politischen Betätigungen.
Bertha Cleven ist ebenfalls Mitglied im ältesten, im Jahr 1900 gegründeten
Dortmunder Frauenbewegungsverein "Frauenbildung - Frauenerwerb". Im
1. Weltkrieg wird die engagierte Streiterin als Leiterin der neueingerichteten
städtischen Fürsorgestelle berufen. Sie setzt sich für die in der
Schwerindustrie beschäftigte Frauen ein und erhält dafür - spät -
1937 das Kriegsverdienstkreuz. Nach dem Krieg übernimmt die Stadtverwaltung
die Clevensche Auskunftstelle als städtischen Arbeitsnachweis für
Frauen. Dieser wurde gebraucht, da die im Krieg beschäftigten Frauen
berufstätig bleiben wollten, von den heimkehrenden Männern aber aus
den Arbeitsplätzen gedrängt wurden. Cleven wurde Leiterin dieses städtischen
Amtes und damit die erste weibliche Amtsleiterin und erste Stadtinspektorin
in der Geschichte der Dortmunder Stadtverwaltung. Als politisch engagierte
Frau trat Berta Cleven nach Erlangung des Frauenwahlrechts in die
neue linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP) ein und war
lange Zeit Zweite Vorsitzende. Im Jahr 1919 wurde sie für die Stadtverordnetenwahlen
nominiert und gewählt. Zehn Jahre lang war sie Stadtverordnete mit
Sitz und Stimme. Beim Jugendamt übernahm Cleven die Reorganisation
der weiblichen Jugendpflege und die Betreuung der weiblichen Jugend.
1929 wurde sie zur Stadtoberinspektorin befördert. Wenige Wochen nach
der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde Cleven als
politisch Mißliebige entlassen und in den vorzeitigen Ruhestand geschickt.
Zu Beginn des 2. Weltkrieges entsann man sich ihrer und setzte sie
zwangsweise als Hilfsarbeiterin im Wirtschaftsamt und i Kriegshilfsamt
ein. Nach Krankheit und Ausbombung ihrer Wohnung in der Chemnitzerstr.
6 zog Bertha Cleven nach Lünen. Dort beteiligte sie sich nach Kriegsende
aktiv am Aufbau der FDP, gründete den Kreisverband dieser Partei und
war lange Zeit Vorsitzende.
Engagement für das weibliche Handwerk; Aufbau der weiblichen Jugendfürsorge
bei der Stadtverwaltung Dortmund; Einrichtung einer Auskunftsstelle
für Frauenberufe; Pionierin des Frauenstimmrechts; Kommunalpolitikerin;
Aufbau der FDP in Lünen
Quellen/Literatur/
Filme
Knippschild, Dieter: Vergessene Kommunalpolitikerin
und Kämpferin für Frauenrechte, in: Heimat Dortmund, Stadtgeschichte
in Bildern und Berichten 2/90, Zeitschrift des Historischen Vereins
für Dortmund und die Grafschaft Mark e.V., S. 24 - 27
Archivbestände
Stadtarchiv Dortmund: Bestand 500, Bertha Cleven;
Bestand 5 Nr. 153, Der Westfälische Verein für Frauenstimmrecht