Vivienne Newport interpretiert nicht die Welt, sie setzt
den Zuschauer ihr aus. Da nichts das ist, wofür es gehalten
werden will, eröffnen sich überraschende Perspektiven. Die
muntere Sightseeing-Gesellschaft kann sich plötzlich in eine
blökende Schafherde verwandeln, sieht sich wenig später vor
imaginärem Terror an die Wand gestellt. Die Wechsel der Persapektiven
breiten kein Postkartenalbum beliebiger hübscher Ansichten
aus, sondern eröffnen dem Bick neue Einsichten. Mir scheint,
diese Möglichkeit des dauernden Umschlagens von Situationen
ist eines der wesentlichen Merkmale, die besondere Qualität,
die das Tanztheater der Vivienne Newport von anderen unterscheidet.
Es schafft eine Unsicherheit, die Neugier weckt: ein Hochseilakt,
der sich immer auch, feixend, als Eiertanz im Wirrwarr der
Zeichen und Konventionen entpuppen kann. Unter der Hand verbünden
sich Tragik und Komik der Figuren zur Groteske: im Lachen
darf man schon mal, vorgreifend, einen freieren Atem geniessen.
Der Druck der laufenden Ereignisse lässt für einen Augenblick
nach, gibt freien Ausblick auf das, was sein könnte. Ganz
nebenbei unterminiert ein unterdrücktes Lachen den "Ernst
der Lage", nimmt sich selbst nicht so ernst. Dabei gelingt
es der Newpert, mit geschickt verzahnten Musikcollagen, die
die Aktionen atmosphärisch dicht vorantreiben, ihre bewegten
Bilder in stetem Fluss zu halten. Die Spannung hält sich in
einer fein austarierten Balance - das macht nicht atemlos,
sondern bringt einen in den Wechselbädern der Stimmungen zu
Besinnung. Wo das Theater gemeinhin eine Gegenstand problematisiert,
widmet sich das Tnaztheater der Company Vivienne Newport einem
- von Stück zu Stück unterschiedlichen - Lebensgefühl. Das
mag manch einer für beliebig halten: die Erfahrungen aber
müssen durch den Körper hindurch.
N.Servos
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